Die Würde des Patienten im Blick

Pilotprojekt am Caritas-Krankenhaus St. Josef

Das Ethikkomitee des Caritas-Krankenhauses St. Josef hat im Oktober eine zweitägige Fortbildung mit der Deutschen Gesellschaft für Patientenwürde veranstaltet, an der 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen des Hauses teilgenommen haben. Thema der Fortbildung war „Würdebewahren im Gesundheitswesen“. Wir haben mit dem Diplompsychologen Jan Gramm und der Soziologin Dr. Swantje Goebel gesprochen, die den Kurs entwickelt und geleitet haben.

Herr Gramm, zunächst einmal: was können wir uns unter „Würdebewahren im Gesundheitswesen“ vorstellen?

Würdebewahren im Gesundheitswesen bedeutet, den Blick auf das Würdegefühl der Patienten zu lenken, da dieses aufgrund einer Erkrankung, aber auch aufgrund von Erfahrungen mit Kliniken und Praxen verletzt werden kann. Dafür wollen wir Mitarbeitende im Gesundheitswesen sensibilisieren. Denn Forschungen von Prof. Harvey M. Chochinov, dem Vorreiter auf diesem Gebiet, haben ergeben, dass Mitarbeitende in Kliniken bzw. in Gesundheitseinrichtungen das Würdeempfinden derer, die Pflege und Behandlung in Anspruch nehmen, maßgeblich beeinflussen können.

Braucht es dafür nicht einfach nur genug Zeit?

Jein. Sicher spielt Zeit eine Rolle. Doch auch unter Zeitdruck kann ich meinem Patienten mit einer gewissen Haltung ausdrücken: ich sehe Dich als Menschen, nicht nur als Diagnose. Dafür bedarf es nicht unbedingt großer Worte oder Taten. Oftmals reicht schon eine kleine Geste wie ein freundliches Wort oder ein Lächeln.

Als Caritas-Krankenhaus St. Josef schreiben wir uns eine menschliche Medizin auf die Fahnen. Unsere Mitarbeitenden sind mit viel Herz bei der Sache. Wozu so eine Fortbildung?

Tatsächlich arbeiten viele Menschen gerade deshalb in einem Gesundheitsberuf, weil sie neben dem fachlichen Interesse das Bedürfnis haben, anderen zu helfen und für sie da zu sein. Das haben wir auch in St. Josef so erlebt. Dennoch ist es für Pflegekräfte sowie Ärztinnen und Ärzte nicht immer leicht zu erkennen, was die Würde eines Patienten beeinflussen kann und wie sie das in ihren Berufsalltag einbauen können.

Und wie kann es gelingen, die „würdebewahrenden Pflege“ in den Berufsalltag zu integrieren?

Wir setzen in unserer Fortbildung auf das Konzept von Prof. Harvey M. Chochinov und seinem Forschungsteam. Es liefert praktische Anregungen und Werkzeuge, wie Patientinnen und Patienten in ihrem Würdeempfinden gestärkt werden können – und schließt dabei explizit die Würde der Behandelnden mit ein.

 Was heißt das konkret?

Wir vermitteln in unseren Kursen die ABCD-Leitlinie, mit der Prof. Chochinov der Würde im Gesundheitswesen mehr Gewicht verleihen wollte.

Das „A“ steht dabei für attitude, also Haltung. Hier geht es darum die eigene Einstellung zu hinterfragen. Also beispielsweise: wie gehe ich in die Begegnung? Gehe ich schon mit einer gewissen Voreinstellung ins Zimmer oder lasse ich die Situation erst einmal ohne Wertung auf mich zukommen und gehe offen auf den Patienten zu?

Hinter dem „B“ verbirgt sich behaviour, also das Verhalten. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie ich mit meinem Verhalten die aktuelle Situation für den Patienten verbessern kann. Das geht zum Beispiel, indem ich das Kopfteil hochstelle, bevor ich ein Gespräch beginne, um Augenhöhe zu schaffen. Nach der Untersuchung zu warten, bis der Patient fertig anzogen ist, und erst dann weiterzusprechen, kann ebenfalls dazu beitragen, dass sich der Patient wohler fühlt.

„C“ meint eine Haltung des Mitgefühls (compassion). Wer Mitgefühl spürt, nimmt das Leid anderer nicht nur wahr, sondern hat auch den Wunsch, es zu lindern. Diese grundlegende Empathie für die Patienten ist eine Grundvoraussetzung für deren Versorgung.

Gleichzeitig ist es dabei wichtig, sich auch abzugrenzen. Hier helfen Sätze wie „Ich stehe dem Patienten so gut bei, wie es mir möglich ist. Ich bin aber nicht für sein Schicksal verantwortlich.“ Das gilt besonders für Patienten in einer Palliativsituation. Diese Mischung aus Verbundenheit und Abgrenzung kann geübt und als Grundhaltung angeeignet werden.

Das „D“ in der Leitlinie steht für dialogue, also das Gespräch. Dieser letzte Baustein beginnt mit einer ganz konkreten Frage, die einen im Patientenkontakt leiten sollte und die man Patienten auch direkt so stellen kann: „Was sollte ich über Sie als Person wissen, um Sie bestmöglich behandeln zu können?“ Wenn ich mit diesem Satz ins Gespräch gehe, nicht nur den Blick auf die Diagnose und die Behandlung lenke, schaffe ich Vertrauen. Dieses Vertrauen ist wichtig, damit Patienten sich öffnen und damit oftmals wichtige Informationen für die Behandlung liefern.

Der ein oder andere mag sich denken: das ist doch eigentlich alles selbstverständlich. Tatsächlich ist es aber so, dass dieses Wissen im hektischen Pflegealltag oft in den Hintergrund rückt. Doch je öfter ich mir diese ABCD-Leitlinie in Erinnerung rufe, umso mehr werden sie zur Routine und gehen in den Alltag über.

Vielen Dank für Ihre Antworten, Herr Gramm und Frau Goebel. Eine abschließende Frage: die Fortbildung in St. Josef war die erste ihrer Art, ein Pilotprojekt also. Wie sieht ihr Fazit aus?

Das Fazit fällt positiv aus. Die Teilnehmenden waren sehr dankbar für die konkreten Übungen, die wir ihnen an die Hand gegeben haben, damit sie nach der Fortbildung das gelernte verinnerlichen und im Alltag einsetzen können. Zudem wurde der multidisziplinäre Ansatz, also eine Fortbildung, die unterschiedliche Hierarchien, Berufsgruppen und Bereiche einbezieht, sehr positiv erwähnt. Das Projekt wird ja auch von Dr. Andrea Züger (Universität Gießen) wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Auch uns hat die Arbeit mit den Mitarbeitenden hier im Haus viel Freude bereitet. Für uns war das ein guter Auftakt und wir freuen uns auf weitere Fortbildungen dieser Art.

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