Therapie


Der Patient, nicht nur der Tumor wird behandelt!

Dieser Kernsatz beinhaltet, dass das Tumorstadium bei der Erstdiagnose nicht allein für die Wahl der Therapie entscheidend ist. Das Alter eines Patienten, sonstige Erkrankungen, die eine Operation verhindern, seine persönliche Einstellung zur evtl. therapeutisch bedingten Impotenz, Inkontinenz oder Bluttransfusion, seine körperliche wie seelische Belastbarkeit und nicht zuletzt seine Lebenserwartung sind wichtige, die Therapiewahl beeinflussende Faktoren. Bei gleichem Tumorstadium können bei verschiedenen Patienten unterschiedliche Therapien empfohlen werden!


Behandlungsstrategien des organbegrenzten Prostatakrebses

Immer häufiger wird Prostatakrebs durch Vorsorgeuntersuchungen frühzeitig entdeckt. Er ist auf die Prostata (=lokal) begrenzt, bzw. eine Aussaat (=Metastasierung) ist unwahrscheinlich, bei niedrigem PSA-Wert und einer guten Differenzierung des Tumors (Gleason-score). Das Therapieziel ist die totale Entfernung oder Vernichtung aller Krebszellen. Es soll eine Heilung erreicht werden (= kurative Therapie).


Operation

Radikale retropubische Prostatektomie (offene Operation)

Die totale Entfernung der Prostata, der Samenblasen und der Beckenlymphknoten durch Bauchschnittoperation wird unter diesem Begriff zusammengefasst. Diese Operation ist weltweit als eine Standardtherapie für das lokalisierte Prostatakarzinom anerkannt.

Robotisch-assistierte radikale Prostatektomie (minimal-invasiv, sog. DaVinci-Prostatektomie)

Die totale Entfernung der Prostata, der Samenblasen und der Beckenlymphknoten kann seit einigen Jahren auch minimal-invasiv unter Verwendung der DaVinci-Technologie durchgeführt werden. Die robotischen Instrumente werden hierbei analog zur konventionellen Laparoskopie über kleinste Hautschnitte in den Körper eingeführt. In einem ersten Schritt wird die Prostata zunächst vollständig entfernt. Die enorme Bewegungsfreiheit der robotischen Instrumente ermöglicht dem Operateur hierbei eine sehr präzise Präparation. Dabei stellt der sogenannte „Nerverhalt“ (gezielte Schonung der für die postoperative Potenz und Kontinenz wichtigen Nervenfasern in direkter Umgebung der Prostata) bei Einsatz der DaVinci-Technologie den Therapiestandard in unserer Klinik dar. In Abhängigkeit des Tumorstadiums wird im Rahmen der Operation darüber hinaus eine besonders gründliche Lymphknotenentfernung durchgeführt (sog. „extendierte Lymphadenektomie“). Im zweiten Teil des Eingriffs erfolgt sodann die präzise Rekonstruktion der ableitenden Harnwege. Hierfür wird die Harnröhre mittels einer feinen Naht mit der Harnblase verbunden (Anastomosierung), um die Kontinuität im harnableitenden System nach Entfernung der Prostata wiederherzustellen. Die Vorteile des DaVinci-Systems ermöglichen hierbei eine gezielte Schonung des Schließmuskels. Die robotisch-assistierte radikale Prostatektomie bietet für den Patienten hervorragende onkologische sowie funktionelle Ergebnisse.

Ausschlusskriterien für die Chirurgie

Wenn das "biologische“ Alter des Patienten, schwere Begleiterkrankungen oder andere Umstände einen chirurgischen Eingriff verhindern, müssen andere Therapieformen diskutiert werden.


Bestrahlung (Radiatio)

Die Bestrahlung stellt eine etablierte Therapiealternative zur Operation dar. Eine Bestrahlung kann von außen auf die Prostata einstrahlend in circa 30 Einzelsitzungen über 4-6 Wochen durchgeführt werden oder durch das Einbringen von radioaktiver Metallstückchen (=Seeds) über den Damm erfolgen. Die Seeds bleiben auf Dauer in der Prostata. In manchen Kliniken wird auch eine Kombinationsbehandlung mit Einbringen von Seeds und Bestrahlung von außen durchgeführt.

Bekannte Nebenwirkungen sind Hautverbrennungen, chronische Darm- und Blasenentzündungen ebenso wie ungewollter Harnverlust (=Inkontinenz) und Impotenz. Diese Nebenwirkungen sind umso unwahrscheinlicher, je moderner die strahlentherapeutische Abteilung, die diese Verfahren durchführt, ausgestattet ist.


Aktive Überwachung (Active surveillance)

Im Falle eines weniger aggressiven Tumors kann mit dem Patienten die Durchführung einer sogenannten „Aktiven Überwachung“ diskutiert werden. Hierbei wird der nachgewiesene Tumor nicht sofort behandelt sondern zunächst mittels regelmäßiger PSA-Kontrollen und Kontrollbiopsien engmaschig überwacht. Eine mögliche Übertherapie soll unter Umständen hierdurch verhindert werden. Im Falle eines Fortschreitens des Tumors müssen sich diese Patienten im Verlauf dennoch einer radikalen Therapie (Operation, Bestrahlung) unterziehen.


Fokale Therapie

Die fokale Therapie stellt einen Mittelweg zwischen der „Aktiven Überwachung“ (Active Surveillance) und der radikalen Therapie (Operation, Bestrahlung) dar. Sie basiert auf einer Teilbehandlung der Prostata unter Minimierung der Schädigung umliegender Strukturen. Genauere Informationen zur fokalen Therapie finden Sie hier.


Watchful Waiting

Besonders in skandinavischen Ländern wurden Studien durchgeführt, die nach Diagnosestellung des Prostatakarzinoms eine reine Beobachtung des Patienten ohne Therapie beinhalteten. Grundlage eines solchen Vorgehens ist, dass es sich beim Prostatakarzinom zum Teil um einen relativ langsam wachsenden Tumor des älteren Mannes handelt und sich die Auswirkungen einer Tumorausbreitung (Metastasierung) im Körper oft erst Jahre nach der Diagnosestellung zeigt. Treten solche Beschwerden auf, so wird mit einer Hormonbehandlung und einer Schmerztherapie begonnen.

Bei dieser Strategie handelt es sich also im eigentlichen Sinne um eine verzögerte Hormonbehandlung beim Auftreten von tumorbedingten Beschwerden, welche dann jedoch meist schwierig zu behandeln sind. Der Verzicht auf eine Prostatakarzinomtherapie scheint aber nur gerechtfertigt, wenn der Patient eine Lebenserwartung von deutlich unter 10 Jahren hat und es sich nicht um einen aggressiven Tumor handelt. Nicht zu unterschätzen ist hierbei auch die psychische Belastung des Patienten, da bei bekanntem Tumor trotz zahlreicher Behandlungsmöglichkeiten zunächst keine Therapie durchgeführt wird.


Sonstige Therapieverfahren

Neben den etablierten Verfahren werden zum Teil diverse andere Therapieformen angeboten. Hierzu zählen unter anderem die Kryotherapie (Vereisungstherapie), die Protonentherapie sowie die irreversible Elektroporation. Aufgrund der geringen wissenschaftlichen Datenlage weisen diese Verfahren aktuell einen rein experimentellen Charakter auf und sollten nur innerhalb kontrollierter klinischer Studien durchgeführt werden.


Behandlungsstrategie bei fortgeschrittenem Prostatakrebs

Überschreitet das Prostatakarzinom die Prostatakapsel, bricht es in die Samenblasen ein oder befällt es unmittelbar an der Kapsel gelegene Lymphknoten, gilt es als „lokal fortgeschritten“. Das Therapieziel heißt hier: „lokale Kontrolle“, d. h. den Krebs in seinem Wachstum zu bremsen bzw. zum Stillstand zu bringen und seine weitere Ausbreitung einzudämmen. Sind entferntere Lymphknoten oder andere Organe befallen wie Knochen, Leber und Lunge, gilt er als „systemisch fortgeschritten“. In diesen Fällen ist eine völlige Ausheilung, d. h. totale Vernichtung aller Krebszellen durch jedwede Therapie unwahrscheinlich. Hier gilt es, durch eine „systemische“, d. h. den ganzen Körper erreichende Therapie, das Krebswachstum einzudämmen (=palliative Therapie). Lokale Maßnahmen sind dann nur in Ausnahmefällen (z. B. bei erschwertem Wasserlassen) und in Kombination mit einer systemischen Therapie sinnvoll.
Hormonbehandlung / Chemotherapie

Liegen zum Zeitpunkt der Erstdiagnose bereits Metastasen vor, dann gilt die Hormonbehandlung als Therapie der Wahl. Da fast alle Prostatakarzinome hormonsensibel sind, kann ihr Fortschreiten durch die Unterdrückung der Produktion männlicher Sexualhormone gestoppt oder gebremst werden. Dieser Hormonentzug kann chirurgisch und/oder medikamentös erfolgen. Bei der chirurgischen Kastration wird das Hodengewebe beidseits operativ entfernt. Bei der medikamentösen Kastration blockieren Medikamente entweder die Auswirkungen von Testosteron und andern Androgenen oder die eigentliche Produktion von Testosteron. Die Wachstumsimpulse für die bösartigen Prostatazellen bleiben aus. Nebenwirkungen der Hormonbehandlung äußern sich meist in einem Verlust der Potenz. Es kommt zu einer Art von Wechseljahresbeschwerden, zu Hitzewallungen und Antriebsschwächen, die nach Absetzen der Hormontherapie wieder verschwinden. Die Krebszellen reagieren mit zunehmender Dauer der Behandlung immer weniger auf den Hormonentzug, was von Patient zu Patient allerdings sehr unterschiedlich ist. Für diesen Fall stehen neben der intravenösen Chemotherapie inzwischen mehrere orale Medikamente zur Verfügung. Einen individuellen Beratungstermin in unserer uroonkologischen Sprechstunde können Sie unter 0941/782-3511 vereinbaren.